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Mittwoch, 17 April 2019 12:40

3 gegen 3? Selbstverständlich, aber… Empfehlung

In Bayern treten zum 1. Juli 2019 im Juniorenfußball die neuen Richtlinien BFV in Kraft. Damit haben die bayerischen Vereine bei den G-, F- und jüngeren E-Junioren neben dem aktuellen Spiel "7-gegen-7" mit Torwart auf dem Kleinfeld auch ganz offiziell die Möglichkeit, "Mini-Fußball"-Spielformen zu nutzen. Andere Regionalverbände werden mit Sicherheit folgen.

Sehr guter Ansatz, aber auch die richtige Schlussfolgerung?

Durch die Änderung verfolgt man im Wesentlichen zwei Ziele: mehr Einsatzzeit und mehr Spaß auf der einen Seite und die Förderung von individuellen technischen Fähigkeiten speziell im 1 gegen 1 auf der anderen Seite. Aber ist es wirklich so einfach?

Coerver® Coaching nutzt seit nunmehr 35 Jahren Spielformen im 3v3 oder 4v4 auf 4 oder 6 Tore und die Vorteile dieser Spielformen sind hinlänglich bekannt:

  • mehr Ballkontakte für jeden Spieler

  • mehr Tore

  • mehr 1v1-Situationen

  • keine starren Positionen (alle müssen angreifen und verteidigen)

  • mehr Optionen (= Förderung von Kreativität und Handlungsschnelligkeit)

Aber reicht die Spielform tatsächlich aus, bessere 1v1-Spieler zu fördern? Ich denke eher nicht.

Die Spielform hilft, aber der Trainer ist das entscheidende Element

Ob Spieler sich tatsächlich im 1v1 verbessern, ist nicht wirklich abhängig von der Anzahl der Spieler, der Anzahl der Tore oder der Größe des Spielfeldes, sondern in erster Linie davon, ob es der Trainer fördert und fordert. Der Trainer, der permanent von außen ruft „spiel ab“, wird nicht durch die neue Spielform einfach verschwinden. Und wenn die neue Saison beginnt, wird es auch genug Trainer geben, deren Trainingsinhalte sich nur um das richtige Verschieben drehen. Weniger Spieler bedeutet weniger Variablen und dadurch ist es leichter, immer wiederkehrende Muster zu entdecken. Und das wiederum hilft, Taktiken bzw. Spielzüge einzustudieren, was ja genau dem Thema Kreativität wiederspricht. Und bei einigen Trainern wird diese Spielform wahrscheinlich sogar gegenteiliges bewirken: Anstatt Kreativität und 1v1 zu fördern, wird das noch mehr erstickt, denn eines ist im 3v3 klar: Während beim 7v7 bei Ballverlust eines Stürmers drei oder vier Spieler hinten stehen und den „Fehler“ ausbügeln können, so birgt ein Ballverlust im 3v3 wesentlich mehr Gefahr ein Tor zu kassieren.

Bolzplatz 2.0?

Es war in den letzten Tagen und Wochen viel zu lesen, dass man so die Bolzplatzmentalität wieder zurückholen will. Tricksen, bolzen, in kleinen Gruppen gegeneinander kicken: Alles das, was den Spielern früher geholfen hat, sich im 1v1 zu verbessern, soll so wieder zurückgeholt werden. Dies hat aber nur funktioniert, weil es eben keinen Trainer an der Außenlinie gab, der „spiel ab“ geschrien hat. Und wenn man es mal mit dem Tricksen übertrieben hat, dann gab es prompt die Quittung der Mitspieler. Entweder man ist in der nächsten Runde an letzter Stelle gewählt worden oder die Mitspieler haben dann einen geschnitten. So hat sich automatisch das richtige Maß gefunden und man regelte „die Taktik“ untereinander.

zweiter vor dem ersten Schritt?

Die Annahme, dass alleine die Spielform ausreicht, um tausende Top-1v1-Spieler zu produzieren, ist weit hergeholt. Die Voraussetzung ist zunächst, dass die Trainer das 1v1 fördern, aber auch, dass das Repertoire an Ideen und Übungen, um in diesem Bereich effektiv zu trainieren, vorhanden ist? Und hier kommen wir zu einem weiteren Problem: Insbesondere im Kleinfeldbereich haben wir bundesweit hauptsächlich ehrenamtliche Trainer, die Ihre Freizeit opfern, um mit Kindern zu trainieren, die aber nicht unbedingt auch noch die Zeit haben, lange Trainerkurse zu absolvieren. Und diese Trainer sollen von heute auf morgen, die Philosophie im Kinderfußball wesentlich verändern, ohne aber das Rüstzeug zu bekommen?

Es wäre schön, wenn sich in diesem Hinblick auch das Fortbildungsangebot ändern würde.

Es wird spannend sein, wie sich die Idee in Zukunft umsetzten lässt und ob nicht schon bald wieder neuen Ideen kommen werden. Denn es gibt bereits jetzt ausländische Studien, die besagen, dass zum Beispiel ein 4v4 mehr Ballkontakte und 1v1-Aktionen hervorruft, als ein 3v3. Denn mehr Spieler heißt nicht automatisch, dass jeder seltener den Ball hat, sondern es bedeutet auch, dass sich mehr Optionen bieten (zum Passen, Dribbeln oder Laufen).

 

Rafael Wieczorek

Coerver Director Deutschland & Österreich

 

 

Letzte Änderung am Mittwoch, 17 April 2019 12:53